Stefan Koch-Spinnler

Da gibt es viel zu sagen...

Rede zum Anlass der 20. Generalversammlung des
Kinder- und Jugendtheaters Zug

www.kindertheatearzug.ch

Liebe Freundinnen und Freunde des Kinder- und Jugendtheaters Zug,
liebe Gönnerinnen und Gönner, liebe Eltern liebe theaterbegeisterte Kinder und Jugendliche!
20 Jahre Kinder- und Jugendtheater Zug. Ein Jubiläum, welches einer besonderen Würdigung bedarf. In diesen zwanzig Jahren ist so viel geschehen, hat sich so vieles entwickelt, sind so viele Kinder gross und stark geworden…
Kinder und Jugendliche sind Zukunft und ich möchte meine Energie in die Zukunft stecken, die Vergangenheit als Erfahrung, als Grundlage für Neues gebrauchen. Ich möchte Ihnen daher keinen Abriss der letzten 20 Jahre geben, sondern viel mehr zeigen, was Theater mit jungen Menschen für uns Leiterinnen und Leiter vom Kinder- und Jugendtheater Zug heute bedeutet, mit welcher Philosophie wir ans Werk gehen.

Rot
Rot ist die Farbe des Feuers; es erregt Aufmerksamkeit, verkörpert Vitalität, Leidenschaft und Liebe. Andererseits kann es auch aufwühlend und aggressiv wirken, und Zorn, Wut und Brutalität bedeuten.
Wild auf Theater
Wild auf Theater, das sind und waren wir alle zusammen. Ich – und ich denke die meisten von uns - schon als kleine Kinder. Meine Eltern mussten sich ellenlange Episoden anschauen und am Ende erst noch klatschen. Heute tun dies meine vier noch kleinen Kinder ebenso – und auch ich muss klatschen, tus mit Freude und bin immer wieder erstaunt, wie wohltuend das kindliche Theaterspiel ist. Alles wird ausgedrückt, Freude, Wut, Liebe, Trauer und Zorn, teils zusammenhangslos, teils in
kurzen Geschichten. Und die Kinder sind glücklich, haben sich von der Leber gespielt, was sie beschäftigte oder freute und ich bin etwas wie verzückt und spüre noch die Energie, welche soeben freigesetzt wurde. Es ist dieselbe Verzückung, welcher ich immer wieder verfalle, wenn die jüngsten des Kinder- und Jugendtheaters ihr Werk zum Besten geben. Eine regelrechte Explosion von Theaterpower.
Wild auf Theater – mit geballter Lust und sprühend vor Energie eintauchen in die Wirklichkeit der Phantasie.

Grün
Grün ist die Farbe der Natur. Es wirkt beruhigend; steht für Grosszügigkeit, Sicherheit, Harmonie und Hoffnung. Es bedeutet auch Erneuerung des Lebens.
Theater mit Köpfchen
Theater mit Köpfchen wäre nach diesem „Theaterpowererlebnis“ ein weiterer Schritt. Los kommen von der unkontrollierten Spielfreude der spontanen Improvisation hin zu bewussterem Spiel. Es zählt nicht mehr bloss was ich selbst sagen will, es werden neue Figuren geschaffen, es entsteht neues Leben. Wenn ich mit einer Rolle neues Leben schaffe, habe ich Verantwortung. Was will meine Rolle, was wünscht sie sich, was spürt sie, und auch viel Banaleres ist wichtig, vielleicht: Mag sie Pizza? Ach ja? Klar. Aber natürlich ohne Gemüse drauf!
Wenn ich es schaffe, meine Figur bis ins Innerste zu kennen, dann erst kann ich mit ihr spielen, dann erst wird sie lebendig und bekommt die nötige Sicherheit und Harmonie um mit mir auf den Weg jeder Geschichte zu gehen.
Theater mit Köpfchen: herzhaft lustvolles gestalten einer neuen Kreatur.


Blau
Blau ist die Farbe des Himmels; Symbolfarbe für Ruhe, Vertrauen, Pflichttreue, Schönheit und Sehnsucht. Es kann aber auch Traumtänzerei, Nachlässigkeit oder Melancholie bedeuten.
Theaterkultur
Und jetzt entsteht daraus eine Kunst. Ich weiss, ein heikler Begriff – erst recht in der pädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und trotzdem wage ich ihn in den Mund zu nehmen. Aus dem freudigen Verweilen bei den eben erst geschaffenen Kreaturen wird nun komponiert, zusammengefügt, erprobt, verworfen, neu geschaffen. Ein Leidensweg beginnt. Das wäre dann so eine Art Midlifecrises mit der Rolle. Theaterkultur kommt nicht ohne Schmerz, ohne Abschied von Altem, ohne Enttäuschung, ohne rütteln an den eigenen Grenzen zu stande. Wenn wir Zeit und Raum für diese Prozesse schaffen, kann aus theäterle Theaterkunst entstehen. Und Theaterkultur geschieht, wenn wir alle, Schauspielerinnen und Schauspieler zu erst, dann Leiterinnen und Leiter und nicht zu letzt auch das Publikum grösser, stärker und reicher an Seele und Geist werden – wenn wir alle ein bisschen im siebten – vielleicht sogar blauen - Himmel schweben.
Theaterkultur: Wachsen an der Kraft der Darstellung.

Gelb
Gelb vermittelt Licht, Heiterkeit und Freude; es steht für Wissen, Weisheit, Vernunft und Logik.
Kultur lässt aufhorchen
Theater zum Beispiel teilt mit. Theater verdeutlicht. Theater überspitzt und kaschiert im gleichen Moment. Wer Theater spielt, erlernt die Fähigkeit, Essentielles konzentriert wieder zu geben.
Musik zum Beispiel teilt mit. Musik verdeutlicht. Musik überspitzt und kaschiert im gleichen Moment. Wer Musik macht, erlernt die Fähigkeit, Essentielles konzentriert wieder zu geben.
Malen zum Beispiel teilt mit. Malen verdeutlicht. Malen überspitzt und kaschiert im gleichen Moment. Wer malt, erlernt die Fähigkeit, Essentielles konzentriert wieder zu geben.
Kultur lässt aufhorchen: Wer die Chance hat, kulturell tätig zu sein, teilt mit, verdeutlicht, überspitzt und kaschiert zugleich, erwirbt die Fähigkeit, Essentielles konzentriert weiter zu geben. Kultur lässt aufhorchen.

Violett
Violett ist eine würdevolle Farbe; sie wird mit Inspiration, Mystik, Magie und Kunst in Verbindung gebracht.
Theaterträume
Theater ist ein Ort, wo Träume Realität finden. Realität und Traum vereinen sich im dramatischen Spiel, Vorstellung wird zur Darstellung, Phantasie zur Wirklichkeit. Manchmal frage ich mich, ob das rasende Tempo der Gegenwart die Realität zum Traum macht, die Wahrhaftigkeit zur Vorstellung und die Wirklichkeit zur Phantasie.
Wir versuchen, dieser Entwicklung entgegen zu wirken. Mit kleinen, alltäglichen Regeln: Im Theaterlager sind Gameboys, Natels, MP3 Player und I-Pods verboten. (Zugegeben – zum grossen Ärger der Kinder und Jugendlichen). Wir beginnen jedes Essen mit einem Lied. Jede Leiterin und jeder Leiter wünscht jeden Abend nach der Gutenacht-Geschichte jedem Kind an seinem eigenen Schlafplatz eine angenehme Nachtruhe.
Andere Menschen brauchen Selbsterfahrungscamps in der Einöde der Wüste, wo sie durstig auf dem Rücken der Kamele durch die Hitze wanken. Wir gehen nach Lajoux, sind nie durstig und von Hitze kann leider fast nie die Rede sein und trotzdem: Auch wir ziehen uns zurück auf eine Insel, schirmen uns ab, weg von der alltäglichen, rasenden, flimmernden Realität und ermöglichen dadurch das Erleben einer aussergewöhnlichen Gewöhnlichkeit, eine Konzentration auf das Wesentliche. Erst jetzt ist ein Winkel frei für Inspiration und erst jetzt werden Träume wirklich wahr.
Theaterträume: Weg von der alltäglichen Realität hin zum Erleben einer inspirativen aussergewöhnlichen Gewöhnlichkeit.

Orange
Orange ist Symbolfarbe für Optimismus und Lebensfreude. Es signalisiert Aufgeschlossenheit, Kontaktfreude und Selbstvertrauen; steht für Jugendlichkeit und Gesundheit…
Theater macht schön
Wir nähern uns dem Ende meiner Ausführungen und nun die Schlüsselfrage: Was ist wichtig? Ein guter Freund sagte mir kürzlich: „Die Tagesschau ist unwichtig. Wichtig ist alles was uns gut tut. Alles was uns im Leben, in unserem Sein weiter bringt.“
Wer lernt hinzustehen und mit Selbstverständlichkeit etwas wichtiges mitzuteilen ist unwiderstehlich. Ein Mensch der Freude hat an seinem eigenen Tun begeistert. Ein zufriedener Mensch ist schön. Mit Kindern und Jugendlichen Theater zu spielen ist genau darum wichtig - und genau darum so schön!

Rot:
mit geballter Lust und sprühend vor Energie eintauchen in die Wirklichkeit der Phantasie.
Grün:
Herzhaft lustvolles Gestalten einer neuen Kreatur.
Blau:
Wachsen an der Kraft der Darstellung.
Gelb:
Essentielles konzentriert wiedergeben
Violett:
Das Erleben der inspirativen aussergewöhnlichen Gewöhnlichkeit
Orange:
Wer Theater spielt hat mehr vom Leben.
Ich danke Ihnen.
23.1.06









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